Das Bild links zeigt eine blutige Szene auf der Richtstätte Sentimatt aus der Bilderchronik von Diebold Schilling aus Luzern. Mit der Stadt stand Mellingen in Rechtsangelegenheiten in einem engen Austausch. 

Der zum Tode Verurteilte ist für das blutige Spektakel des Räderns aufgespannt worden. Der Richter mit Richtschwert will eben sein Urteil sprechen. Der Henker will mit dem Rad den ersten Schlag ausführen und dem vermeintlichen Täter  wie vorgeschrieben als Erstes den rechten Oberschenkel zerschlagen. In diesem Moment geht Diebold Schilling mutig dazwischen und erreicht einen Aufschub der Vollstreckung. Es soll Zeit für weitere Abklärungen gewonnen werden. Schilling war Notar und Leutpriester und mit der Gerichtspraxis bestens vertraut. Hier tritt er aber in der bescheidenen Rolle des Beichtvaters des Angeklagten auf. Die Chronik berichtet, dass trotz Geständnis unter der Folter, der Verurteilte dem Beichtvater und zwei Zeugen glaubhaft seine Unschuld versichert habe. Mit seiner Intervention vereitelt der «gerechte» Schilling  also einen Justizirrtum. 

 

Diebold Schilling vereitelt einen Justizirrtum 29. April 1495. ©Wikimedia

1437

Heini Schaffner aus Niederbaden hat dem Hans Gebbler von Wädenswil ein Pferd gestohlen, es nach Mellingen gebracht und verkauft, von Schultheiss und Rat verhaftet und von Schultheiss, Rat und Zwanzig  zum Tod verurteilt worden. Er wurde auf Bitten ehrbarer Leute von Zürich und Meylon und in Ansehung seiner kleinen Kinder und seiner grossen Armut begnadigt und schwört Urfehde.

 

1579

wurden Hans und Niklaus Glutz wegen schwerer Diebstähle durch das Schwert hingerichtet. Knapp am Tod ging der vorbestrafte Bürger Hans Seewagen vorbei, der den Dieben einen Geldsack abgenommen und diesen bis zum Landtag hinterhalten hatte. Auf Fürsprache seiner Freunde hin kam der Schlosser mit einer Busse von 100 Gulden verhältnismässig glimpflich davon.

 

Im selben Jahr verurteilte die Tagsatzung den Kronenwirt Wolfdietrich Wiser zum Tode. Vermutlich fand er vor allem ein gewaltsames Ende, weil er durch Beschneiden von Münzen auf unehrliche Weise Gold und Silber gewonnen hatte. Aus seiner Hinterlassenschaft fielen 1000 Pfund an die Eidgenossen.

 

1574

sassen wieder zwei Diebe im Mellinger Gefängnis, um schliesslich hingerichtet zu werden. Unter anderem hatten sie einen Kelch und andere Kirchengüter gestohlen.

 

1706

wird ein hiesiger Bürger wegen stetem Fluchen und wegen Gotteslästerung zu einer Galeerenstrafe verurteilt. Auf die Intervention von zwei angesehenen Verwandten wird er jedoch begnadigt. Aber sechs Jahre später wird er wegen den gleichen Vergehen erneut zu lebenslänglicher Galeerenhaft verurteilt. Die eingereichten Gnadengesuche seiner zwei Namensvettern im Rat werden nicht angenommen und der Verurteilte muss seine Strafe antreten. 

 

1728

wird ein Beklagter wegen angetaner Schmach an einer Jungfrau in Bremgarten zwei Stunden an den Ring vor dem Rathaus angebunden, der Bettelvogt soll ihm 50 Streiche geben und er muss noch 2 x 24 Stunden in Gefangenschaft. Aus Gnade wird ihm dann die Züchtigung erlassen. Die Gerichtskosten hat die Klägerin zu bezahlen, diese kann sie dann vom Beklagten wieder einfordern.

 

Einen wirklich nicht beneidenswerten Zustand haben Jungfrauen, bei denen eine Schwangerschaft festgestellt wird. Sie werden hochpeinlichen Verhören zwecks Feststellung der Vaterschaft unterzogen. Nur wenn sie eine Vergewaltigung nachweisen können, entgehen sie einer drastischen Bestrafung.

 

Die Kaplansköchin ist schwanger geworden und klagt gegen einen hiesigen Bürger, weil er sein Heiratsversprechen nicht einhalten will. Der Beklagte anerkennt die Vaterschaft, erklärt aber, er sei von der Frau verführt worden und er werde sie auf keinen Fall heiraten. Nach langwierigen Verhandlungen wird der Vater zu 2 Tagen Arrest im Turm und 20 Pfund Busse verurteilt. Die werdende Mutter soll mit einem Strohkranz auf dem Kopf und mit einer am Hals angehängten Geige, begleitet vom trommelnden Stadttambour, durch die Strassen und um die Brunnen der Stadt geführt werden. Anschliessend wird sie aus der Stadt verwiesen und soll zwei Jahre verbannt bleiben. 

 

Die Halsgeige diente zur Durchführung von Ehrenstrafen. Der verurteilten Person wurde die Halsgeige umgelegt, woraufhin sie damit durch die Stadt geführt oder an den Pranger gestellt wurde, so dass sie dem Spott der Mitbürger ausgesetzt war und gedemütigt werden sollte)Strohkranz/Strohzopf als Symbol der Schande für Frauen, die uneheliche Kinder geboren hatten. Diese als "Schandweiber" bezeichneten Frauen wurden kahl geschoren und gezwungen, an Festtagen vor dem Hauptportal der Kirche den Strohkranz/Strohzopf zu tragen.

 

 

1729

Eine  Bürgerin wird wegen dreifachem Diebstahl von Strümpfen verurteilt. Sie soll 2 Stunden während dem Markt auf dem Fischbank stehen und auch noch 2 Stunden in die Trülle auf dem Lindenplatz, zudem wird sie zwei Jahre von Stadt und Land verwiesen.

 

1757

Protokoll einer langen Gerichtsverhandlung Hans Jacob Iten, ca. 17 Jahre alt

„Hochgeehrte grossgünstige herren! die ursach daß selbige auff heutigen tag allhero zusammen beruffen werden, ist der leidige anlaß, dass hiesser  burgerssohn Hanß Jacob Iten, seit einiger zeit und jahren mit villfältigen klein undt großen diebstählen und anderen mißhandlungen sich also vergriffen, dass ohnumbgänglich die justitz undt gerechtigkeit darmit außgeforderet wird, umb dißem übel entlich zu steüren und abzuhelffen. Weilen denn eine statt Mellingen von römischen kayßeren undt königen hochloblich gefreyet und begabet ist, so die noth erforderet, daß ein schultheiß soll und mag sitzen und nach kayßerlichen rechten über dass bluot richten, so frag ich eüch hr. altschultheiß bey eüwerem eydt, ob es nun zeit und tag seye, daß ich möge sitzen undt richten nach kayfierlichen rechten über dass blut?

Verteidiger: Hochgeehrter herr amtsschultheiss, meine großgünftige herrn richter!

Der arme menfch hat mir befohlen zu sagen, er seye ein gebundener und gefangner armmer mensch und bette doch, man wolte ihme seine  hand dißmahl ablößen Iaßen.

Hierauff befiehlt der Amstsschultheiss dem Bettelvogt, dem armmen menfchen die handt aubzulösen.

Darnach spricht deß armmen menschen fürsprech weiters: Hochgeehrter hr. amtsschultheiss meine großgünstige herren richter! der armme mensch hat mir befohlen zu sagen, er habe gehört schriftlichen verlessen, waß er bekänt und gethan habe, und solle darauff antwort geben, ob er alles also gehandlet und vollbracht habe; daß er kantlich (leider! gott erbarmme, er  dies alles gehandlet und vollbracht zu haben; er könne es nicht verneinen; er seye aber noch jung; er habe nit so vill verstandt gehabt und habe nit gedenkt, dass dißes also zu großen untaten kommen und ihme so sehr nachtheilig sein solte; er habe theils auch die noth wegen speiß und tranck dahin angetrungen, wie er dan alles, waß er entfrömbdet, an speiß und tranck verwendet habe; es ist ihme auch von hertzen treülich leidt, und so ihme gott fein leben fristet, wolle er sich bekehren und halten, wie daß einem christ wohl anstehe; er bittet also umb gottes und dess jüngften grichts willen eüch, meine großgünstige herren, daß ihr ihme gnadt undt barmhertzigkeit  erzeigen und mittheilen wollet.

Die Richter gingen nicht darauf ein und verurteilten den jungen Menschen zum Tod durch das Schwert. Er musste sein Urteil kniend vernehmen: 

„Ammer mensch, höre dein urteil an. Da liesset er ihme sein urteil vor, ein stäblein in der handt haltend, und da er das urtheil vorgelessen, bricht er den stab und wirfft die stückh vor dem armmen menschen zu boden und spricht also: so gewüss dass disser stab gebrochen, so gewüss du heüt des todts sterben; hier bey uns menschen ist kein gnadt, bey gott ist gnadt.

Museum Mellingen im Geschichtsraum Altstadt